Projekt

Perspective and Perspectivation in Language and Cognition: A Cognitive-Linguistic and Cognitive-Developmental Approach.

Abstract

Das Phänomen der Perspektivität in Sprache, Kognition und Interaktion spielt eine zentrale Rolle in vielen Forschungsansätzen, die sich mit der Konstitution von Bedeutung sowie der Vermittlung von Wissen und Erfahrung beschäftigen (vgl. Köller 2004; Pleyer 2011, 2012). Dies gilt besonders für die Kognitive Linguistik (z.B. Langacker 2008; Verhagen 2007), die Entwicklungspsychologie (z.B. Moll & Tomasello 2007; Wellman 2011) sowie die Spracherwerbsforschung (z.B. Clark 1997; Tomasello 2003). Trotz der Signifikanz des Konzepts der Perspektivität für diese Disziplinen ist jedoch bislang das interdisziplinäre Synergiepotential des Begriffs nicht ausreichend erkannt und aufgegriffen worden.

Die These dieses Dissertationsprojekts ist es, dass der Begriff der Perspektivität als integratives Konzept an der Schnittstelle von Kognitiver Linguistik, Entwicklungspsychologie und Spracherwerbsforschung dienen kann. Ziel des Projekts ist somit der Ausbau des wechselseitigen Dialogs zwischen diesen Disziplinen wie auch die gegenseitige Einbeziehung ihrer Ergebnisse und Analysen. Insbesondere soll das reiche Analyseinstrumentarium zur Erfassung linguistischer Perspektivierungsmittel, das von der Kognitiven Linguistik zur Analyse des Englischen erarbeitet worden ist (Radden & Dirven 2007), für die Analyse des Spracherwerbs und der kognitiven Entwicklung fruchtbar gemacht werden.

Aus der Sicht der Kognitiven Linguistik fungieren sprachliche Äußerungen als Auslöser dynamischer mentaler Konstruktionsprozesse (Evans & Wood 2006; Ungerer & Schmid 2006; Schnotz 2006). Diese mentalen Konstruktionsprozesse, d.h. die Perspektive, die auf einen Sachverhalt aufgebaut wird, werden dabei durch die Strukturierung der sprachlichen Äußerungen angeleitet. Die sprachlichen Konstruktionen, durch die eine Situation auf

verschiedene Weisen gesehen wird und mittels derer innerhalb einer konzeptualisierten Situation eine unterschiedliche Salienz- bzw. Prominenzverteilung und Aufmerksamkeits-lenkung vollzogen wird, werden in der Kognitiven Linguistik als Construal Operations bezeichnet (Croft & Cruse 2004; Langacker 2008; Radden & Dirven 2007).

Diese Sicht der konzeptuellen Perspektivierung macht das Konzept der Perspektivität anschlussfähig für andere Disziplinen, insbesondere für die psychologisch und kognitiv orientierte Spracherwerbsforschung.

Aus Sicht der Spracherwerbsforschung stellt sich nämlich die Frage, wie Kinder das von der Kognitiven Linguistik beschriebene Inventar sprachlicher Perspektivierungsmittel sowie das Wissen über deren diskursive Verwendung, erwerben. Das Hauptziel meiner Dissertation ist darum die kognitiv-linguistische Korpusanalyse des Erwerbs der sprachlichen Perspektivenübernahme und -setzung in der kommunikativen Interaktion sowie des Zusammenhangs zwischen der Entwicklung dieser Fähigkeit und allgemeinen sozio-kognitiven Faktoren und Fähigkeiten. Dies soll zuerst mittels einer soll in einer Längsschnittstudie von Sprachäußerungen eins englischsprachigen Kindes von 2,0 bis 4,0 Jahren geschehen. Untersucht und annotiert wird dabei ein Längsschnitt aus dem dichten Thomas-Korpus der CHILDES-Datenbank (vgl. Lieven et al 2009; MacWhinney 2000; Diessel 2009).

Ziel der Hauptuntersuchung dieses Dissertationsprojektes wird es nach der ersten Erstellung eines im Rahmen der Pilotstudie erprobten Rasters von Construal Operations sein, den Verlauf der Entwicklung von Construal Operations an einem größeren Datensatz sowie in größerem Detail zu explizieren und zu analysieren. Hierbei soll zum einen die Analyse auf einen größeren Ausschnitt des Thomas-Korpus ausgeweitet werden. Gleichzeitig sollen aber auch Daten des Manchester-Korpus zum Vergleich herangezogen werden (vgl. Theakston et al. 2001). So soll das in der Pilotstudie analysierte Auftreten von bestimmten Construal Operations zu einem bestimmten Zeitpunkt der sprachlichen Entwicklung an einem größeren Datensatz englischer Kinder (Transkripte von 12 Kindern in der Altersspanne von 2 bis 3 Jahren) validiert werden. Der Aufbau eines Konstruktionsinventars, das es ermöglicht, verschiedene Perspektiven auf den gleichen Sachverhalt auszudrücken, soll somit in einer ausgedehnten Korpusanalyse längsschnittartig untersucht werden. Auf diese Weise soll der Erwerb sprachlicher Strukturen dokumentiert werden, die Prozesse kognitiver und kommunikativer Perspektivität nahelegen.

Insgesamt soll so das Verständnis des Konzepts, der Struktur sowie der Entwicklung des Phänomens der Perspektivität in Kognition und Interaktion um wesentliche Einsichten bereichert werden.

 

Literatur

Clark, Eve V. (1997): “Conceptual Perspective and Lexical Choice in Acquisition.” In: Cognition 64: 1-37.

Croft, William und D. Alan Cruse (2004): Cognitive Linguistics. Cambridge: Cambridge University Press.

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Evans, Vyvyan und Melanie Green (2006): Cognitive Linguistics: An Introduction. Edinburgh: Edinburgh University Press.

Köller, Wilhelm (2004): Perspektivität und Sprache: Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin [u.a.]: de Gruyter.

Langacker, Ronald W. (2008): Cognitive Grammar: A Basic Introduction. Oxford [u.a.]: Oxford University Press.

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MacWhinney, Brian (2000): The CHILDES Project: Tools for Analyzing Talk. Third Edition. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.

Moll, Henrike und Michael Tomasello (2007): “Co-Operation and Human Cognition: The Vygotskian Intelligence Hypothesis.” In: Philosophical Transactions of the Royal Society 362: 639-648.

Pleyer, Michael (2012): “Cognitive Construal, Mental Spaces and the Evolution of Language and Cognition.” In: Thomas C. Scott-Phillips, Monica Tamariz, Erica A. Cartmill und James R. Hurford (Hrsg.): The Evolution of Language. Proceedings of the 9th Conference on the Evolution of Language. Singapore: World Scientific, 288-295.

Pleyer, Michael (2011): “[Buchrezension:] Carl F. Graumann and Werner Kallmeyer, Hrsg. (2002): Perspective and Perspectivation in Discourse. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins.” In: International Cognitive Linguistics Association Book Reviews http://www.cognitivelinguistics.org/Reviews/graumann

Radden, Günther und René Dirven (2007): Cognitive English Grammar. Amsterdam; Philadelphia: John Benjamins (Cognitive Linguistics in Practice 2).

Schnotz, Wolfgang (2006): “Was geschieht im Kopf des Lesers? Mentale Konstruktions-prozesse beim Textverstehen aus der Sicht der Psychologie und der kognitiven Linguistik. ” In: Hardarik Blühdorn und Eva Breindl (Hrsg.): Text – Verstehen: Grammatik und darüber hinaus. Berlin: de Gruyter, 222-238.

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Tomasello, Michael (2003): (2003): Constructing a Language: A Usage-Based Theory of Language Acquisition. Cambridge, MA [u.a.]: Harvard University Press.

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