Projekt

„Didaktik der Rechtslinguistik“ – Zur rechtlichen Wirklichkeitskonstitution durch Sprache im Fokus der Vermittlungsproblematik.

Abstract

„Das Gesetz soll doch jedem und immer zugänglich sein“ schrieb schon Franz Kafka. Der Wunsch nach einem zoon politikon in der heutigen, komplexer werdenden, Wissensgesellschaft ist groß. Dies gilt auch für das Recht, denn das Recht und die in ihr lebende wirkungsmächtige Sprache ist für die meisten Bürger nach wie vor unzugänglich, schwer nachvollziehbar, ja sogar befremdlich! Auf der Grundlage derzeitiger Forschungsergebnisse der modernen Rechtslinguistik möchte die vorliegende Arbeit demzufolge den Schritt wagen, dem fachlichen Laien die wirklichkeitskonstituierende Macht der Sprache im Recht zu erhellen und diese Ergebnisse didaktisch zu konzeptualisieren, eine Vermitt-lungsmission, welche Fachwissenschaft und Fachdidaktik vereinen soll.

Aus rechtslinguistischer Sicht ist eine didaktische Konzeptualisierung wünschenswert. Einerseits liegt hier ein fundamental demokratisierender Gedanke zugrunde. Andererseits fehlt es der rechtslinguisti-schen Forschung bisher an einer expliziten fachdidaktischen Konzeptualisierung fachwissenschaftli-cher Forschungsergebnisse, welche diese Ergebnisse bündelt und somit die Rahmenbedingungen stellt für weitere didaktische Modellierungen, die im konkreten Unterricht umgesetzt werden können. Aus fachdidaktischer Sicht stellt sich zunächst die Frage, wieso die Sprache im Recht fokussiert werden sollte, nicht etwa die Sprachmacht in anderen Wissensdomänen (z.B. Politik oder Wirtschaft). Einer-seits ist jeder Staatsbürger dem Recht unmittelbar unterworfen. Er sollte demnach das Recht und die in ihr lebende und wirkende Sprache insofern nachvollziehen können, dass er die vom Recht vorgegebe-nen Normen und die Generierung eben solcher nachvollziehen kann. Dem Bürger, der dies vermag, entsteht hierbei ein klarer Vorteil im Alltag gegenüber denjenigen, die dies nicht können. Andererseits ist auch die Forschungslage zur wirklichkeitskonstituierenden Macht der Sprache im Recht in der Fachdidaktik dünn besiedelt. Bisherige Forschungsbeiträge fokussieren systematische Aspekte „der Rechtssprache“ oder systematische Aspekte des Rechtssystems selbst; ein Beitrag darüber, welche Handlungs- und wirklichkeitsgenerierende Macht die Sprache im Recht besitzt, würde die bisherige Forschung ergänzen.

Zunächst legt die Arbeit ein fachwissenschaftliches Fundament, in dem rechtslinguistische For-schungsparadigmen im Fokus der Wissenskonstitution durch Sprache diskutiert werden. Hierzu wird zunächst die gesellschaftlich-demokratische Relevanz des Themas dargestellt. Darauf aufbauend wer-den rechtswissenschaftliche, -theoretische und rechtslinguistische Grundfragen in Bezug zueinander differenziert: Welche sprachtheoretische Grundauffassung kann in diesem Rahmen zugrunde gelegt werden? Welche Aufgabe übernimmt die Sprache im Rechtsdiskurs? Wieso erscheint die Rechtsspra-che für den alltäglichen Bürger unzugänglich und schwer nachvollziehbar? Wie „machen“ Juristen Recht? Wie erzeugen Juristen Wissen im Recht (vgl. hierzu auch Aza Gleichmanns Beitrag auf dieser Homepage)? Welche Rolle übernimmt in diesem Zusammenhang die Sprache? Welche rechtsdogmati-schen Grundlagen lassen sich mit der zugrunde gelegten sprachtheoretischen Auffassung vereinen?

Auf diesem Fundament aufbauend wird ein didaktisches Konzept entwickelt, das diese Forschungser-gebnisse differenziert, evaluiert und aus vermittlungstheoretischer Sicht weiterentwickelt. Zunächst wird hierzu ein didaktisches Grundverständnis konzeptualisiert, anders formuliert: Welches didakti-sche Verständnis, Lernverständnis oder Bildungsverständnis kann zugrunde gelegt werden? Darauf aufbauend, und in Rückkopplung an die vorher erarbeiteten fachwissenschaftlichen Ergebnisse, wird ein Konzeptrahmen entwickelt, der eine didaktische Modellierung der Thematik zulässt. Welche Lern-ziele lassen sich formulieren? Welche Kompetenzen können durch die Rechtslinguistik vermittelt werden? Welche didaktischen Prinzipien (Handlungsorientierter Unterricht, Entdeckendes oder Ver-netzendes Lernen, usw.) könnten Anwendung finden in einem rechtslinguistischen Vermittlungsdis-kurs? Wie müssten Unterrichtsinhalte schülergerecht aufgearbeitet sein (Welche Texte könnten zur

Vermittlung der Ergebnisse angewandt werden)? Wie müsste das Umfeld (Schulorganisation, Unter-richtsorganisation, usw.) strukturiert und etabliert sein? Wie ist es möglich, die hochinstitutionalisier-te, hochkomplexe Struktur der „Textnetze“ im Rechtsdiskurs zur Wissenskonstitution schülergerecht aufzuarbeiten?

Die zugrunde gelegte Methode der Arbeit ist an vorderster Front qualitativer Natur, d.h. fachwissen-schaftliche Forschungsparadigmen der Rechtslinguistik zur rechtlichen Wirklichkeitskonstitution durch Sprache werden aus der derzeitigen Forschungsgrundlage ausgewertet, exzerpiert, anhand ein-schlägiger Beispiele veranschaulichend exemplifiziert und anschließend didaktisch konzeptualisiert.

        Schlagwörter:

#Sprache #Recht #Rechtslinguistik #Varietäten #Varietätenlinguistik #Didaktik #Textlinguistik #Wis-sen #Wissenskonstitution #Vermittlung #Fachwissenschaft #Fachdidaktik #Sprachdidaktik

 

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