Projekt

Geschlecht im Schulbuch.
Eine diachrone Schulbuchstudie aus diskurslinguistischer Perspektive.

Abstract

Bildungsmedien waren in der germanistischen Linguistik bislang kaum Untersuchungsgegenstand. Erstaunlich, angesichts der Tatsache, dass Schulbücher tägliches Lehr- und Lernmittel sind, mit denen zum einen fachspezi-fisches deklaratives Wissen vermittelt wird, denen zum anderen aber auch soziokulturelles Wissen eingeschrie-ben ist, welches implizit am Konstruktionsprozess von Welt der Schülerinnen und Schüler teilhat. Als kultur- und gesellschaftsabhängige Zeitdokumente weisen Schulbücher bestimmte soziale Praktiken oder Rollen als Norm aus. Welcher Stellenwert der Sprache in diesem (De-)Konstruktionsprozess zukommt bzw. welche Welt-deutung der Sprachgebrauch in Lehrwerken nahelegt, haben soziologisch pointierte Schulbuchstudien bislang nicht herausarbeiten können. Im Dissertationsvorhaben wird an diesem Forschungsdesiderat angesetzt und die Sprache im normierten Medium Schulbuch „in ihrer funktionalen Rolle bei der Herstellung von ‚Wirklich-keit(en)‘ ernst genommen“ (Wengeler 2006: 5). Untersucht werden Lehrwerke aus den Jahren 1870 bis 201X, schwerpunktmäßig Rechenhefte und Mathematikbücher.

In Anlehnung an die Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN) von Spitzmüller/Warnke (vgl. 2008; 2011) wurde ein dreigliedriges Analysemodell entworfen, das die Abhängigkeiten des Schulbuchwissens von bildungspolitischen Direktiven und gesellschaftlichen Diskursen erfassen will. Auf erster Analyseebene werden die Produktionsbedingungen von Lehrwerken und die an der Konzeption von Schulbüchern beteiligten Ak-teur/innen in den Blick genommen (Akteursorientierte Analyse). Daran schließt im zweiten Teil die Schulbuch-studie in Form einer vor allem quantitativen Sprachdatenerhebung und statistischen Auswertung an. Im letzten Teil erfährt der Kontext, mit dem die Schulbücher diskursiv verbunden sind, eine Würdigung (Transtextuelle Analyseebene). Die diachrone Untersuchungsperspektive erlaubt Aussagen darüber, wie sich über die letzten 140 Jahre in den Lehrwerken Geschlechterkonzeptionen verändert haben, ob sich im Abgleich mit der sog. sozialen Realität gesellschaftlicher Wandel in den Schulbüchern widerspiegelt oder erst zeitverzögert nieder-schlägt und welche Stereotype gegebenenfalls bedient werden. Exemplarisch soll weiterhin gezeigt werden, inwiefern in die Schulbücher geschlechterspezifische Vorgaben von Behördenseite integriert wurden.