Projekt

Kulturkämpfe als Sprachkämpfe? Sprachmagie vs. Prestigeökonomie im Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe

Abstract

In welchem Verhältnis steht der Streit um Worte, also Bedeutungs- und Bezeichnungsfixierungsversuche zum dabei antizipierten kulturellen, politischen und rechtlichen Wandel sowie zu empirisch beobachtbarem Bedeutungs- und Bezeichnungswandel? Dieser Frage widmet sich die Arbeit auf theoretischer und empirischer Ebene.

Im Theorieteil dienen hier mechanistische, „sprachmagische“ Vorstellungen von Wort-Welt-Verhältnissen als Kontrastfolie für die Frage nach möglichen soziopolitischen, affektiv-moralischen und reputationellen Motivationen hinter Bezeichnungskonkurrenzen und -fixierungsversuchen sowie für ein prestigeökonomisches Modell von Wortgebrauch und Wortbedeutung.

Den empirischen Untersuchungsgegenstand bietet der Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe. Neben dem diskursiven Wandel selbst wird vergleichend auch der Metadiskurs um die Bedeutung von Ehe sowie um konkurrierende Bezeichnungen für die gleichgeschlechtliche Ehe wie insbesondere Homo-Ehe und Ehe für alle analysiert.

Dabei zeigt sich, dass die umkämpften Wörter nicht etwa von selbst Einfluss auf den Diskurs üben, sondern umgekehrt semantisch von diskursiv geprägten Äußerungsbedingungen und -bedürfnissen abhängig sind, da diese die Gebrauchsweisen des umkämpften Wortes beeinflussen, welche wiederum dessen Bedeutung bestimmen.

In einfachen Worten ausgedrückt, legen die Ergebnisse der Arbeit Folgendes nahe: Sprechende streiten oft darüber, welche Wörter im Zusammenhang mit einem politisch und moralisch aufgeladenen Thema gemieden und verwendet werden sollen, in der Hoffnung, hierdurch auch Einfluss darauf ausüben zu können, was über dieses Thema ausgesagt und gedacht wird. Auch wenn sie tatsächlich ausreichend moralischen Druck ausüben können, bestimmte Wörter zu meiden und andere zu verwenden, wird damit jedoch noch nicht gesteuert, wie diese Wörter verwendet werden. Was über ein bestimmtes Thema ausgesagt wird, hängt jedoch nicht davon ab, welche Wörter verwendet werden, sondern davon, wie diese Wörter verwendet werden. Diese Gebrauchsweisen hängen wiederum davon ab, was über ein Thema zu einer bestimmten Zeit gedacht wird. Und dies hängt wiederum von individuellen sowie gesellschaftlichen Zusammenhängen ab, für die eine Komplexität angenommen werden muss, die weit über die Dimension des Einzelwortes hinausgeht.