Projekt

Die Entwicklung einer sektoralen Argumentationstheorie am Beispiel des Diskurses über den Klimawandel.

Abstract

Der Klimawandel ist ein sehr wichtiges Thema der heutigen Zeit. Mit ihm beschäftigen sich mittlerweile nicht nur die Naturwissenschaften. Die Geisteswissenschaften können Zentrales zu seiner Erforschung beitragen, gerade mit Blick auf die kommunikative Dimension des Problems. Allerdings wird bis anhin die Betrachtung der Argumentationsstrukturen vernachlässigt, wenn der Diskurs über den Klimawandel untersucht wird. Meine Dissertation soll auf dieses Desiderat reagieren und einen argumentationsanalytischen Zugang zu der medialen Berichterstattung über den Klimawandel in deutschsprachigen Schweizer Medien ermöglichen. Ein solcher Zugang zu diskursiven Argumentationsstrukturen steht vor verschiedenen wissenschaftlichen Herausforderungen, mitunter deswegen, weil die Texte und mündlichen Beiträge in der Regel viele alltagslogische Schlüsse beinhalten, die hochgradig kontextsensitiv und implizit sind. Spezielle Ansätze sind nötig, um die zur Diskussion stehenden Argumentationsmuster (Topoi im Sinne argumentativer Fundplätze) innerhalb des Diskurses adäquat beschreiben und normativ beurteilen zu können. Reisigl (2014) plädiert für eine sektorale Argumentationsanalyse als Zugangsweise zu eine solche Problemlage. Diese Idee stützt sich unter anderem auf die schon von Toulmin (2003) angesprochene Feldabhängigkeit von bestimmten Argumentationsteilen sowie die von Kopperschmidt (1989, 2000) vorgeschlagene materiale Argumentationstheorie, die die Abhängigkeit von kategorialen Sprachsystemen betont. Die Dissertation soll auf der Basis der empirischen Untersuchung eines Schweizer Korpus eine sektorale Argumentationstheorie etablieren, die auf den Diskurs über den Klimawandel angewendet werden kann. Sie greift unter anderem auch auf korpuslinguistische und korpuspragmatische Methoden zurück (Felder/Müller/Vogel 2012). Durch ein solches analytisches Vorgehen lassen sich umfassende Erkenntnisse zur Argumentation (in Form von besonderen, diskursspezifischen Topoi) in der medialen Berichterstattung über den Klimawandel in der Schweiz gewinnen, die von praktischer Relevanz sein können.

Hierfür wird ein Korpus erstellt, das die wichtigsten deutschsprachigen Schweizer Tages- und Wochenzeitungen sowie relevante Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender SRF 1, SRF 2 und SRF info umfasst. Das Korpus wird hierfür in meinungs- und informationsbasierte Subkorpora unterteilt sowie die Artikel einzelnen Resorts zugeordnet. Der Untersuchungszeitraum soll von 2007 bis 2014 reichen, da so die letzten beiden Berichte des IPCC1 miteinbezogen werden können. Als Referenz- und Prototexte2 im Diskurs über den Klimawandel beeinflussen die Berichte einerseits die Häufigkeit und Beschaffenheit der Berichterstattung und dienen andererseits als objektive Richtlinie für die Beurteilung der Fakten des Diskurses, da die IPCC-Berichte als Konsens der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel verstanden werden können.

Das Korpus wird über die Suche nach den Schlagworten Klimawandel, Erderwärmung, Klimaschutz, Ausstoss, Energiewende, Kohlendioxid, Erwärmung, Klimakonferenz und Klimakonferenzen erstellt. Sie entsprechen denjenigen, die für das deutschsprachige Korpus des Projektes „Changing Climate“ (http://cass.lancs.ac.uk/?page_id=79) mithilfe der Methode in Gabrielatos (2007) erhoben wurden. So sollte es möglich sein, diejenigen Artikel im betroffenen Zeitraum zu erfassen, die sich explizit mit dem Thema Klimawandel beschäftigen.

Durch die Arbeit am Korpus soll einerseits erschlossen werden, wie in Schweizer Medien über den Klimawandel argumentiert wird und andererseits in der Tradition der Grounded Theory ein Zugang etabliert werden, der auch hinsichtlich weiterer Fragestellungen dazu verwendet werden kann, feldabhängige Topoi im Rahmen eines Diskurses zu erfassen und zu beschreiben.

 

Literatur

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